Eigenbedarfskündigung bei Härtefall erfordert eine Interessenabwägung nach § 574 BGB.
In dem vom LG München zu entscheidenden Fall kündigte der Vermieter mit Hinweis auf Eigenbedarf ein bestehendes Mietverhältnis. Der Vermieter brachte zur Begründung die erforderliche Behandlung einer Krebserkrankung vor. Hingegen wurde mittels Sachverständigengutachten eine Suizitgefährdung des Mieters festgestellt, bei Verlust der Mietwohnung.
„Bei der Interessenabwägung des § 574 BGB ist das Bestandsinteresse des Mieters mit dem Erlangungsinteresse des Vermieters in Beziehung zu setzen. Es ist dabei zu fragen, welche Auswirkung eine Vertragsbeendigung für den Mieter haben würde und wie sich eine Vertragsfortsetzung auf den Vermieter auswirkt“.
Beim Mieter müsste sich weiterhin aufgrund einer Kündigung des Mietverhältnisses ein Härtefall einstellen. „Unter einer Härte sind dabei alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die in Folge der Vertragsbeendigung auftreten können“. Bereits der wahrscheinliche Eintritt eines Nachteils ist dabei ausreichend. Ebenso sind die im Haushalt lebenden Familienmitglieder oder weitere Angehörige dabei zu berücksichtigen. Der Härtefall muss also nicht lediglich beim Mieter vorliegen. „Eine Räumungsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit ist als Härtegrund im Rahmen des § 574 BGB zu berücksichtigen, ungeachtet des Umstandes, ob es sich um körperliche, geistige oder seelische Erkrankungen handelt“.
In diesem Fall wurde der Mieter mittels Sachverständigengutachtens als suizidär eingeordnet, wobei der Verlust der Mietwohnung die Gefahr des Suizids stark vergrößern hätte. Es ist somit auch eine Verschlechterung des Zustandes des Mieters zu berücksichtigen.
Hier stehen sich also das Interesse des Vermieters an seinem Eigentum und das Interesse des Mieters an seiner Gesundheit gegenüber. Dabei ist grundsätzlich der Gesundheit Vorrang vor dem Eigentum zu gewähren. Die Kündigung des Mietvertrages war damit unwirksam.
Es besteht zwar weiterhin die Möglichkeit, eine Räumungsfähigkeit des Mieters durch ärztlichen Beistand zu erreichen, eine stationäre Behandlung, insbesondere auf längere Zeit, stellt jedoch einen unverhältnismäßigen Eingriff da. Insbesondere eine zwangsweise Unterbringung kann nicht erfolgen.

LG München I, Schlussurteil vom 23.07.2014 – 14 S 20700/13